Nach österreichischem Ertragsteuerrecht können Gewinne, die im Zuge einer Betriebsveräußerung entstehen, unter bestimmten Voraussetzungen begünstigt besteuert werden. Dies ist mitunter der Fall, wenn der Steuerpflichtige das 60. Lebensjahr vollendet hat und seine Erwerbstätigkeit einstellt. Eine Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen liegt nicht vor, wenn der Gesamtumsatz aus den ausgeübten Tätigkeiten € 22.000,00 und die gesamten Einkünfte aus den ausgeübten Tätigkeiten € 730,00 im Kalenderjahr nicht übersteigen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist auf Antrag des Steuerpflichtigen der Veräußerungsgewinn ermäßigt mit der Hälfte des auf das gesamte Einkommen entfallenden Durchschnittssteuersatzes (der sogenannte „Hälftesteuersatz“) zu besteuern.
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung hatte sich der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) näher mit dem Kriterium der Einstellung der Erwerbstätigkeit auseinanderzusetzen. Im zugrundeliegenden Fall stellte der revisionswerbende Komplementär mit 30.9.2016 seine betriebliche Erwerbstätigkeit im Unternehmen ein und verkaufte gewinnbringend seinen Anteil an der Kommanditgesellschaft. Der Revisionswerber beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2016 die Anwendung des Hälftesteuersatzes auf den erzielten Veräußerungsgewinn. Die Finanzverwaltung verwehrte die Anwendung mit der Begründung, es bestand von vorhinein die Absicht, die Erwerbstätigkeit wiederaufzunehmen, weswegen die Tätigkeit nicht eingestellt wurde und die Voraussetzungen für den Hälftesteuersatz nicht vorgelegen seien. In der Tat – und dies war zwischen den Parteien unstrittig – nahm der Revisionswerber mit 1.1.2017 seine Tätigkeit im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung in diesem Unternehmen wieder auf.
Sowohl das Bundesfinanzgericht als auch der VwGH bestätigen die Rechtsansicht der Finanzverwaltung, die sich ebenso in den Einkommensteuerrichtlinien findet. Demnach bedarf es für die Anwendung des Hälftesteuersatzes auf Veräußerungsgewinne, die anlässlich einer Betriebsveräußerung resultieren, die Absicht, die Erwerbstätigkeit tatsächlich einzustellen. Eine solche (tatsächliche) Einstellung der Tätigkeit verlangt jedenfalls, dass diese auf eine gewisse längerfristige Dauer über das Veranlagungsjahr der Betriebsveräußerung hinaus ausgerichtet ist. Nach Meinung der Finanzverwaltung ist eine Aufnahme der Erwerbstätigkeit nach Ablauf eines Jahres nach Betriebsveräußerung für die Inanspruchnahme der Begünstigung unschädlich. Ist hingegen – wie im konkreten Fall – eine Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit von vornherein bereits geplant oder absehbar, steht dies nach dem VwGH der Anwendung des Hälftesteuersatzes entgegen.
Stand: 01. Oktober 2021